Doch was tun?? Meinem Hund muss geholfen werden - sofort!
Auch auf die Gefahr hin, dass ich dafür gesteinigt werde, aber ich persönlich greife immer zur "Chemie" wie Frontline, Advantix usw.
Aber warum das?? Es gibt doch soooo viele wirksame Naturmittel gegen Zecken!
Ach ja, ist das so? Wirklich? Na, wollen doch mal sehen...
Beginnen wir doch einfach mal damit, warum Zecken so gefährlich sind. Sie sind nämlich nicht einfach nur nervig und hinterlasse unschöne Stellen im Hundefell, sondern sind Überträger wirklich fieser Krankheiten, die da wären:
Borreliose
Sie ist bei uns die häufigste von Zecken übertragene Krankheit. Menschen erkranken häufiger und schwerer als Hunde. Nach Schätzungen von Medizinern gibt es pro Jahr mindestens 50.000 Borreliose-Infektionen beim Menschen. Borreliose wird vor allem über den Holzbock übertragen.
Wo besteht Infektionsrisiko? Überall in Deutschland sind Infektionen möglich, selbst bei Spaziergängen in den Städten. Allerdings ist das Risiko in Süddeutschland etwas höher als im Norden. Auch die Vorstadien der Zecke, die kleinen Larven und Nymphen, können den Erreger übertragen, sie sind besonders gefährlich, weil sie leicht übersehen und zerquetscht werden.
Wie lässt sich die Borreliose erkennen?
Nur etwa die Hälfte der Infizierten erkrankt auch. Beim Menschen fällt oft eine Rötung der Haut um die Einstichstelle auf, die langsam größer wird. Wochen oder Monate später treten Taubheitsgefühle, schmerzhafte Nervenentzündungen oder Lähmungen auf, meist dort, wo der Blutsauger saß. Später, nach ungefähr einem halben Jahr oder mehr, können sich Gelenkentzündungen oder Nervenschmerzen entwickeln. Bei Hunden sind die Symptome vergleichbar, obwohl Hunde seltener erkranken.
Wie wird eine Borreliose behandelt?
Besteht beim Menschen der Verdacht auf Borreliose, raten Ärzte dazu, umgehend mit einem wirksamen Antibiotikum zu behandeln, mindestens einen Monat lang. Bei Patienten mit Gelenkentzündungen sollte die Therapie innerhalb von wenigen Tagen ansprechen. Vorbeugend existiert für Hunde eine Borreliose-Impfung, sie bietet jedoch keinen hundertprozentigen Schutz.
Womit muss bei Borreliose gerechnet werden?
Nicht rechtzeitig behandelt, kann die Infektion chronisch werden und bei Mensch und Tier zu Nervenerkrankungen oder wiederkehrenden Gelenkschmerzen führen.
Babesiose
Die Erreger der Babesiose sind kleine Einzeller. Sie werden von der Auwaldzecke auf den Hund übertragen. Die Krankheit ähnelt in manchem der Malaria und wird daher auch Hundemalaria genannt. Die Einzeller befallen und zerstören die roten Blutkörperchen. Daher wird bei der Babesiose als häufigstes Symptom Blutarmut festgestellt. Die in Deutschland vorkommende Art Babesia canis befällt ausschließlich Hunde.
Wo besteht ein Infektionsrisiko?
Die Babesiose war früher als Reisekrankheit in den Schlagzeilen, kommt nun aber durch die Ausdehnung des Verbreitungsgebiets der Auwaldzecke auch in Deutschland vor. Die Babesien wandern vom Zeckendarm in die Speicheldrüsen der Zecke, sobald sie zusticht. Etwa einen Tag braucht der Einzeller vom Darm der Zecke bis zu den Speicheldrüsen. Diese Zeit bleibt den Hundehaltern, die Zecke zu finden und zu entfernen.
Woran kann die Babesiose erkannt werden?
Manche Hunde zeigen keine Symptome, andere haben sehr hohes Fieber (bis 42 Grad), sie verlieren Appetit, sind matt, müde und nicht zu motivieren. Mit der Zeit verlieren sie sichtbar an Gewicht. Später entwickeln sie Blutarmut und Gelbsucht. Bei massenhafter Zerstörung der roten Blutzellen färbt sich der Urin dunkelrot. Bei Beteiligung des Zentralnervensystems kann es zu Lähmungen, epileptischen Anfällen und Bewegungsstörungen kommen.
Wie wird Babesiose behandelt?
Das einzige wirksame Medikament ("Imidocarbdipropionat") ist in Deutschland für die Anwendung beim Hund nicht zugelassen, darf bei Therapienotstand aber gemäß den arzneimittelrechtlichen Bedingungen aus dem Ausland bezogen werden. Viele Hunde benötigen zusätzlich Flüssigkeit über den Tropf und eventuell eine Bluttransfusion.
Womit muss man rechnen?
Chronische Infektionen an Babesiose sind möglich.
Ehrlichiose, Anaplasmose
Ursache beider Krankheiten sind Bakterien. Hunde sind vor allem in Südeuropa gefährdet. Ehrlichiose wird von der bei uns seltenen Braunen Hundezecke übertragen. Überträger der Anaplasmose ist der europaweit auftretende Holzbock. Die Bakterien der Gattung Rickettsia dringen in die weißen Blutzellen ein und werden so in Lymphknoten, Leber und Knochenmark transportiert.
Woran lässt sich Ehrlichiose bzw. eine Anaplasmose erkennen?
Tiere, die akut an Ehrlichiose erkrankt sind, leiden unter hohem Fieber, ihre Lymphknoten schwellen an, sie sind apathisch. Chronisch an Ehrlichiose erkrankte Hunde magern ab, zeigen deutliche Blutungsneigung. Menschen können sich mit der Hunde-Ehrlichiose nicht infizieren. Bei der Anaplasmose können zusätzlich Lahmheit, Husten und Magen-Darm-Symptome auftreten. Menschen können Hunde-Anaplasmose bekommen. Nach dem heutigen Wissensstand ist das Risiko in Deutschland gering. Therapie: Antibiotika.
Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSM E)
Das FSME-Virus, durch den Gemeinen Holzbock übertragen, verursacht beim Menschen eine Hirnhaut- und Hirnentzündung, es wird beim Stich mit dem Speichel der Zecke übertragen. Infektionen sind theoretisch überall in Deutschland möglich, werden aber vermehrt in Bayern und Baden-Württemberg registriert.
Woran lässt sich FSME erkennen?
Die Symptome sind oft unklar. Mattigkeit, Fieber und Bewegungsstörungen können Hinweise sein, im späteren Verlauf können auch Halsbeugestörungen auftreten. Auch Hunde können sich infizieren, sie erkranken jedoch selten. Ist die Krankheit einmal ausgebrochen, gibt es kein wirksames Medikament dagegen. Für den Menschen existiert eine effektive Schutzimpfung, die auch bei Kindern ab einem Jahr möglich ist, führt bei kleineren aber häufig zu Fieber.
Ganz im Ernst: Wer einmal einen Hund gesehen hat, der an Anaplasmose und Borreliose gelitten hat, wird wie ich die "sichere Variante" der "Chemie" nutzen.
Doch wie versprochen kommen wir nun zu den angeblichen "Wundermitteln" gegen die Blutsauger:
- Knoblauch: Die Schweden haben's getestet, und Versuchsmenschen bei der Army täglich zwei Zehen (!!) Knoblauch verabreicht. Täglich. Dadurch fielen die Zeckenbisse auf ca. 0,2 Stück pro Woche. Wir haben also noch immer die Gefahr, dass Krankheiten übertragen werden können. Bevor man seinem Hund jedoch solche Mengen an Knoblauch verabreicht, sollte man sich diesen Artikel genauer ansehen.
- Bernstein: Ich war schon immer skeptisch dagegen und außer einem ästhetischen Aspekt hätte ich meinen Hunden nie eine solche Bernsteinkette angelegt. Hier wurde die Nutzlosigkeit von Bernsteinketten sehr treffend beschrieben, sodass ich da mehr nicht hinzuzufügen habe.
- Effektive Mikroorganismen (EM): Ich weiß nicht, wann dieser schwachsinnige Trend zu uns rüberschwabbte, aber ich erinnere mich noch, wie ich irritiert nach EM googelte. Diese ach so tollen Wunderdinger bewirken jedoch Null. Nada. Es gibt keinerlei wissenschaftliche Studien, die überhaupt irgendeine Wirksamkeit der Dinger belegt. Ich verbuche die Teile unter "Geldschneiderei". Wem das noch nicht reicht, sollte sich mal folgende Fragen stellen: Angeblich sind es ja die effektiven Mikroorganismen, die da helfen sollen. Diese bestehen größtenteils aus Milchsäurebakterien, also den Dingern, die DIE Zeckenmarker schlechthin sind (Punkt eins). Zweitens werden dann diese Milchsäurebakterien in Keramik eingebacken - GEBACKEN bei je nach Herstellungsart 1000-2000 Grad Celsius. Milchsäurebakterien sind aber äußerst hitzelabil, die meisten sterben bei 70-80 Grad Celsius ab. (Punkt zwei)
- Kokosöl & Co.: Angeblich soll der Geruch Zecken abwehren. Angeblich. Natürlich gibt es da "Unterschiede", ja, ne, is' klar. Und mal ehrlich: Ich soll meine drei Hunde (alle jenseits der 30kg) mehrmals am Tag mit dem Zeug einreiben, nur um nach draußen zu gehen? Dafür muss ich mir ja nen HiWi einstellen...
Ok, aber warum schwören denn nun so viele Leute auf die wundersame Zeckenfreiheit der ach so tollen Mittel?
Das hat wahrscheinlich etwas mit dem Leben einer Zecke zu tun. Die ersten Zeckenausbrüche gibt es meistens im April/Mai. Die Hundehalter sehen "untypisch" viele Zecken und suchen händeringend nach einem Mittel dagegen, das natürlich dann auch erstmal seine Zeit zum Wirken braucht. Im Juni bis Spätsommer sind die Zecken in der Larvenzeit, suchen sich also keinen Wirt, ergo gibt es bedeutend weniger Zeckenbefälle - was die Hundehalter selbstverständlich auf ihre Wundermittel zurückführen. Dann im Spätsommer kommen die Zecken plötzlich wieder und dem besorgten Hundehalter ist klar: das EM- oder Bernsteinkettchen hat seine Wirkung verloren, es muss also sofort ein Neues her!
Absoluter Quatsch!
Das alles hat einfach etwas mit dem Lebenszyklus der Zecke zu tun und nicht mit irgendwelchen Mittelchen, deren - ich betone und wiederhole - Wirksamkeit entweder nicht erwiesen oder bewiesen wurde, dass es nicht wirkt.
Hier mal eine nette Infografik von zecke.de . Und bei diesen Hardfacts glauben wirklich Leute, dass sich Zecken mit Bernstein abwehren lassen?? Außerdem warnt auch diese Seite vor "Hausmittelchen".
Hier mal eine nette Infografik von zecke.de . Und bei diesen Hardfacts glauben wirklich Leute, dass sich Zecken mit Bernstein abwehren lassen?? Außerdem warnt auch diese Seite vor "Hausmittelchen".
Ja, ich setze auf die böse, böse "Chemie", meine Hunde vertragen es und es gibt mir zumindest einen gewissen Schutz gegen all die Krankheiten der Zecken. Natürlich beißen Zecken auch "gefrontlinte" Hunde, aber sie sterben danach sofort, haben also weit weniger Zeit, ihre Krankheitserreger im Hund zu verbreiten.
Es gibt auch Hunde, die die "Chemie" nicht vertragen, aber ist das nicht mit allem so? Es gibt Menschen, die keine Butter vertragen oder keine Paprika oder, oder, oder. Das sind aber immer individuelle Ausnahmen. Und für diese Ausnahmen muss natürlich eine Alternative gefunden werden. Aber muss die Alternative irgendwelches Zeug sein, das rein zur Geldmacherei dient, weil es erwiesenermaßen rein gar nichts bringt?
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